Dienstag, 26. Januar 2021

Naturbasierte Klimaanpassung in der Gartenstadt Drewitz / Jahresauftakt Drewitz

Auslesen der Messdaten in einem der untersuchten Innenhöfe. Foto: ZIM/Hopfgarten

Der Klimawandel führt zu einer Häufung extremer Wetterereignisse, wie Hitzewellen, Dürren und Starkregenereignissen. Vor allem Städte sind aufgrund ihrer Bebauungs- und Einwohnerdichte besonders gefährdet. Dementsprechend kam es in den letzten Jahren auch in deutschen Städten immer wieder zu hohen Sachschäden verursacht durch Starkniederschläge, Hochwasser und Hagel. Mehrtägige Hitzewellen führen vor allem zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen.  Die rund zweiwöchige Hitzewelle im Sommer 2018 hat in Brandenburg zum Beispiel zu 330 Hitzetoten, vor allem unter älteren und herzkranken Menschen, geführt[1].

Um die Auswirkungen dieser extremen Wetterereignisse in Zukunft zu verringern, bzw. zu vermeiden, bedarf es der Umsetzung entsprechender Klimaanpassungsmaßnahmen. Hier setzt das Forschungsprojekt ExTrass[2] an: Angeleitet durch Prof. Annegret Thieken von der Universität Potsdam, AG Geographie und Naturrisikenforschung, werden seit Herbst 2018 hemmende und fördernde Faktoren der urbanen Klimaanpassung untersucht und dabei erfolgreiche Maßnahmen identifiziert. Einige konkrete Maßnahmen werden im Rahmen des Projektes in drei Fallstudienstädten umgesetzt: Potsdam, Remscheid und Würzburg. Hier werden Begrünungsmaßnahmen an Gebäuden getestet, eine klimaangepasste Stadtplanung angestrebt, Daten zum Stadtklima ergänzt und die Bevölkerung durch Kommunikation für die Risiken sensibilisiert.

In einem Teilprojekt werden im Detail die Vorteile einer konkreten Klimaanpassungsmaßnahme in der Gartenstadt Drewitz untersucht, nämlich der Begrünung von Innenhöfen. Hierbei werden die sommerliche Abkühlungswirkung und damit die Reduktion der Hitzebelastung sowie Biodiversität, Kohlenstoffspeicherpotential und das Potential als Treffpunkt und Rückzugsort für AnwohnerInnen für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts betrachtet. In der Studie werden vier Innenhöfe der Gartenstadt miteinander verglichen, die ähnlich gebaut und alle begrünt sind, sich jedoch hinsichtlich ihres Baumbestands, Grünvolumens und ihrer Grünstrukturen sowie ihrer Ausstattung unterscheiden.  

Für die Abschätzung des Kühlungseffekts wurden zwischen Juni und September 2020, in Absprache mit allen beteiligten Wohnungsunternehmen, vier Messstationen installiert, die rund um die Uhr Lufttemperatur und -feuchte, Windgeschwindigkeit und Globalstrahlung (die den Boden erreichende Sonnenstrahlung) messen. Bei der Lufttemperatur und ‑feuchte gab es nur geringe Unterschiede zwischen den Höfen: In den grüneren Höfen war es tendenziell etwas kühler und feuchter. Große Unterschiede hingegen wurden bei der Windgeschwindigkeit und Globalstrahlung festgestellt, hier wurden deutlich höhere Werte bei den strukturarmen Höfen mit weniger Grünvolumen registriert. Bei Übertragung der gemessenen mikroklimatischen Parameter in einen biometeorologischen Index, der die Parameter in die „gefühlte Temperatur“ übersetzt, wurden deutliche Unterschiede sichtbar. So wurde am heißesten Tag eine gefühlte Temperatur von 34 °C im am stärksten begrünten Hof gemessen und von 45,5 °C im Hof mit dem geringsten Grünvolumen. Während die AnwohnerInnen in einem Hof also eine moderate Hitzebelastung erfahren, sind andere zeitgleich im anderen Hof einem extremen Hitzestress ausgesetzt.

 

Stadtmobiliar schafft Begegnungspotential für den sozialen Austausch.
Foto: Ariane Walz
 

Die klimaschützende Wirkung solcher Begrünungsmaßnahmen lässt sich anhand des Kohlenstoffspeichers in der Vegetation der Innenhöfe abschätzen. Der Baumbestand ist dafür essentiell. Er unterscheidet sich erheblich zwischen den Innenhöfen: Im grünsten Hof wurden insgesamt 27 Bäume (durchschnittlich 13 m hoch) kartiert, im am wenigsten begrünten Hof lediglich 12 Bäume (durchschnittlich 9,5 m hoch). Demzufolge wurden im grünsten Hof näherungsweise 1,7 kg Kohlenstoff pro m² Hoffläche ermittelt, im am wenigsten begrünten Hof waren es nur 0,5 kg/m².

Für die Abschätzung der Biodiversität in den Innenhöfen wurden die Struktur- und Artenvielfalt betrachtet, sowie der Anteil versiegelter Fläche. Trotz recht unterschiedlicher Gestaltung schnitten drei der Höfe bei dieser Analyse sehr ähnlich ab. Lediglich der Hof mit dem geringsten Baumbestand weist insgesamt deutlich geringere Arten- und Strukturvielfalt auf und schneidet dementsprechend schlechter ab.

Das Wegenetz und das Stadtmobiliar in den Höfen wurden als Potential für die Begegnung zwischen AnwohnerInnen gesehen und als Indikator für den sozialen Zusammenhalt herangezogen. Hierbei wurden jegliche strukturellen und baulichen Elemente aufgenommen, die die Zusammenkunft der BewohnerInnen fördert, nämlich Privatgärten, Gemeinschaftsgärten, Spielplätze, Bänke, Fahrradständer, Müllbehälter und Laternen. Bei Betrachtung dieser sozialen Strukturelemente schneiden die beiden grüneren Höfe als die Vielfältigsten ab; sie verfügen über die Meisten. Die Innenhofgestaltung birgt Potential Begegnungsstätten zu schaffen für ein nachbarschaftliches Miteinander, gepflegte Grünstrukturen können der Aufenthaltsqualität hierbei zuträglich sein. 

 


Luftbildansicht von zwei untersuchten Innenhöfen mit mehr Grünstrukturen (oben)
und weniger Grünstrukturen (unten) im August 2020. Fotos: Gregor Meusel
 

Um die Nutzung und Wertschätzung von urbanem Grün im Stadtteil zu erheben, wurden im vergangenen Sommer auch Befragungen am Grünen Kreuz durchgeführt. Die Wirkung des Stadtgrüns auf das körperliche Wohlbefinden, den Klimaschutz und die Biodiversität schätzten viele der 104 befragten DrewitzerInnen als besonders wichtig ein. Stadtgrün als Raum für Naturerfahrung oder soziale Begegnung wurden hingegen kritischer betrachtet.

Eine bewusste Gestaltung der Innenhöfe fördert die Vorteile für die AnwohnerInnen. Dies wird auch durch unsere Studie in Drewitz noch einmal unterstrichen. Ein höherer Baumbestand führt zu einer geringeren Hitzebelastung, und mehr Strukturvielfalt kann sowohl die Biodiversität als auch die Aufenthaltsqualität positiv beeinflussen. Mit immer heißeren und trockeneren Sommern muss neben der Anlage auch die Pflege von Grünflächen zunehmend angepasst werden. Möglichkeiten, auch AnwohnerInnen in diese Aktivitäten einzubeziehen, können in Betracht gezogen und gegebenenfalls mit Interessierten initiiert werden. Dies kann die Nutzung der Innenhöfe als Treffpunkt und Rückzugsort für AnwohnerInnen fördern und eine bedarfsorientierte Gestaltung unterstützen. 

Übersicht über die Auswirkungen der Begrünungsintensität in Innenhöfen (Ranking: 1. Rang = 4 Punkte, 2. Rang = 3 Punkte, 3. Rang = 4 Punkte, 4. Rang = 1 Punkt)

Beschreibung der Höfe

Hof 1

Hof 2

Hof 3

Hof 4

Grünvolumen pro 100 m²

153

230

53

45

Anzahl Bäume pro 100 m²

0,7

0,9

1,0

0,4

Durchschnittliche Baumhöhe in m

10,2

12,8

7,5

9,5

 

Punktzahl nach Ranking

Hitzestressreduktion

4

3

2

1

Klimaschutz

2

4

3

1

Biodiversität

4

2

3

1

Soziale Begegnung

4

3

2

1

Gesamtpunkte

18

12

10

4

 

Der Beitrag stammt von Katja Schmidt und Ariane Walz von der Universität Potsdam, Institut für Umweltwissenschaften und Geographie, AG Landschaftsmanagement