Donnerstag, 22. November 2018

Kunst, die mit Zuhören und Hinschauen beginnt

Potsdamerin Kathrin Ollroge mit Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet - auch für ihre Arbeit in Drewitz

Die Potsdamer Fotokünstlerin Kathrin Ollroge erhielt im Oktober, persönlich überreicht vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, das Bundesverdienstkreuz. Er ehrte damit die Arbeit der Fotokünstlerin für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie hätte sich, so der höchste Würdenträger des Staates, durch ihre außerordentlichen künstlerischen Leistungen um die Bundesrepublik verdient gemacht. Steinmeier sagte bei der Verleihung: Kultur lege Unterschiede offen und individualisiere. Was dem einen gefalle, davor grause dem anderen. Das lehre, sagte Steinmeier, vor allem eines: Toleranz.

Ein herausragendes Beispiel für solche Art streitbarer Kultur ist die Kunst-Aktion "Raum für Gedanken", mit der Ollroge seit 2014 durch das Land reist. Mit einer mobilen Konstruktion aus Holzleisten und transparenter Plastikplane, die wie eine Mischung aus Büro und Wohnzimmer aussieht, zieht sie wochenlang von Ort zu Ort. Geduldig lädt sie die Menschen ein, sich zu ihr zu setzen und sich mit ihr zu unterhalten: Über Gemeinschaft, Nachbarschaft und Zuwanderung. So erfährt sie viel über die Sorgen und Ängste der Menschen, über ihre Verunsicherungen und Kränkungen. Und alles das setzt sich zu einem Bild vom Zustand unseres Landes zusammen.

Ollroge geht in die Zentren großer Städte, aber auch in deren Peripherien. In solche Gegenden, wo
Die mobile Beichtstube von Kathrin Ollroge machte 2015
auch Halt in der Gartenstadt. Foto: Benjamin Maltry
sich viele Menschen von „denen da oben“ und der „großen Politik“ oft vergessen fühlen. So war sie mit ihrer kleinen Beichtstube auch in Drewitz, beispielsweise beim Gartenstadtfest und beim Localize-Festival 2015, und im Schlaatz. Sie hört den Menschen zu, schreibt deren Gedanken auf und motiviert ihre Gesprächspartner, ihre Lebenssituation und Überzeugungen zu reflektieren. Später veröffentlicht sie die Geschichten, die sie erfährt, porträtiert die Menschen, die sich ihr öffnen. Immer tut sie das ohne ihre Gesprächspartner zu denunzieren, ihre Meinungen zu zensieren und zu bewerten. Ihre Aufzeichnungen lesen sich dann wie eine große Erzählung, spannender als jede Familiensaga und schöner anzusehen als jede Abenteuer-Reportage aus fremden Ländern. Das lehrt den Leser tatsächlich Toleranz, denn manchmal sind die Geschichten und Sprüche nur schwer zu ertragen. Bei Ollroge beginnt die Kunst mit Zuhören und Hinschauen.

Das Bundesverdienstkreuz – das offiziell Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland heißt - wird für herausragendes Engagement um das Gemeinwohl verliehen. Er ist die höchste Ehrung, die der Staat zu vergeben hat.

Die ProPotsdam hat die Arbeit von Ollroge, insbesondere die in Potsdam, finanziell unterstüzt.