Mittwoch, 26. Mai 2010

1. Stellungnahme des Bürgeraktivs Drewitz/Neubaugebiet

zu dem Vorhaben „Gartenstadt Drewitz, energetisch stark, energisch grün“

(Quelle: Bürgeraktiv, 26. Mai 2014)

Zwischen der Darstellung von Visionen und der Entwicklung von Plänen für eine Gartenstadt Drewitz, melden wir uns zu Wort,  um in diesem Prozess unsere Meinung zu kritisch erscheinenden Entwicklungen zu äußern. Zuvor aber sei die Initiative Einzelner für durchgreifende Veränderungen im Neubaugebiet Drewitz gewürdigt und die Bereitschaft der Stadt Potsdam anerkannt, Verbesserungen in diesem zunehmend schwierigen Wohngebiet zu verwirklichen.

Problemanzeigen
Verdichtung: War auch ursprünglich die Gartenstadt ein Gegenentwurf zur verdichteten Großstadt (E. Howard, 1898), sieht das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eine „Neuinterpretation der Gartenstadt als verdichtetes Wohnen im Grünen“( Zitat nach P. v. Zadow, 2010). Eine Ermessensfrage bleibt der Grad der Verdichtung, und der erscheint im Gartenstadt-Projekt übertrieben. Besonders die fast durchgehend beabsichtigte Teilung und Schließung der Wohnhöfe durch Gebäude trifft auf Ablehnung. Die DrewitzerInnen schätzen ihr aufgelockertes Siedlungsgebiet und haben darin keine Orientierungsschwierigkeiten (Argument des Wettbewerbsbeitrages). Der bisher mögliche, medienvermittelte Blick auf den Gartenstadt-Plan mit kasernenmäßig angeordneten Rechtecken umgeben von schnurgeraden Straßen macht Angst! Das bauliche Schließen zumal kleiner Innenhöfe verschlechtert die Befindlichkeit des Einzelnen und das Zusammenleben aller Beteiligten.

Grün/Gärten: Ein Gartenstadt-Projekt, das die „Rolle“, das dritte grüne Band neben Priesterweg und Sternstraße, nicht bestehen lässt, ist den DrewitzerInnen schwer zu vermitteln. Da zählt auch kein Hinweis auf das geplante „Grüne Kreuz“, denn hier handelt es sich um einen stimmungsvollen, motorfreien, im Übrigen viel benutzten Verkehrsweg. Zudem haben alle Bewohner, die Erfahrungen mit der Beschaffenheit des aufgeschütteten Bodens und der Pflege des mühsam wachsenden öffentlichen Grüns in Neu-Drewitz besitzen, ernste Zweifel, ob es gelingen wird, die vorgesehenen Teile der Konrad-Wolf-Allee flächendeckend als Park anzulegen und vor allem zu erhalten. Es sollte dringend überlegt werden, ob nicht besser gleichsam ein Geflecht aus kleineren, beherrschbaren Grünflächen angestrebt wird. Außerdem darf dieses zentrale Grün nicht das dezentrale Grün ersetzen, das sich wirklich „vor der Haustür“ befindet. Grün durch Gärten in den Wohnhöfen dürfte allein entlang der Hausmauern entstehen. Entsprechende Anlagen im Innern, wie auf phantasievollen Bildern gezeigt, werden eine Ausnahme bleiben, denn wenn die Gartenstadt ihrem Vorsatz gemäß nicht verdrängt, wird es auch in 15 Jahren im Prinzip dieselben Bewohner geben wie heute. Eigenständige, gemeinschaftliche  Gestaltung wäre immer möglich gewesen.

Soziales: Beide voranstehenden Unterpunkte haben ihre sozialen Bezüge, einige Probleme sollen aber speziell genannt werden. So verbinden arbeitslose DrewitzerInnen mit der Kenntnis des  Gartenstadt-Projektes die Erwartung, bei dessen Realisierung  Beschäftigung zu finden. Schwer vorstellbar ist für uns, wie sich die geplante räumliche Verteilung von Gruppen von Einwohnern (mit und ohne Auto, junge Familien und Senioren) ohne erzwungene Fluktuation ergeben soll. Es wird befürchtet, dass durch das Aufsetzen weiterer Etagen wegen der damit verfolgten Ziele  soziale Spannungen entstehen. Und wer trägt die Kosten, wenn Mieter wegen Abbruchs umziehen oder HartzIV-Empfänger nach einer Haussanierung Wohnräume renovieren müssen?

Forderungen
Aus den angeführten Problemen und weiteren Aspekten haben wir folgende Forderungen an die jeweils Verantwortlichen:
- Zügige Planung der Gartenstadt Drewitz, Auslage von allgemein verständlichem Planungsmaterial im „Projektraum“ und Durchführung der beabsichtigten thematischen Foren zur Information der DrewitzerInnen und zu ihrer Beteiligung an den geplanten tiefgreifenden  Veränderungen.
- Keine Verwendung einer künftigen Gartenstadt als Argument gegen sinnvolle Verbesserungen im Neubaugebiet Drewitz heute (keine Killerphrase!).
- Öffnungen der Wohnhöfe zu flächigem Grün (Wald, „Grünes Kreuz“) erhalten bzw. schaffen, Zufahrtsmöglichkeit in Innenräume für die Feuerwehr sichern.
- Versetzte Straßenverläufe erhalten bzw. schaffen.
- Prüfung anderer Möglichkeiten für eine weitere Begrünung und eine Beruhigung der Konrad-Wolf-Allee, nachdem ein kompletter Rückbau der Fahrbahn auf dem 1.Bürgerforum am 6.5.2010 massive Ablehnung gefunden hat.
- Erhaltung zumindest des erhöht gelegenen, von Bäumen gesäumten Fußweges in der „Rolle“ und des Modellhofes Robert-Baberske-Straße.
- Vorhandene Straßenbäume im Bestand schützen, besonders in der Sternstraße an der geplanten Böschungsbebauung.
- Keine Baumfällungen für Baumaßnahmen, Umsetzen von Gehölzen in das Innere von Wohnhöfen.
- Beim Pflanzen von Gehölzen (Bäumen!) nur verwenden, was sich an dem bodenbedingt schwierigen Standort bewährt hat (kein Experiment mit dem Schnurbaum!).
- Entwicklung eines Konzeptes zur Integration arbeitsloser DrewitzerInnen in geeignete Tätigkeitsfelder bei der Realisierung des Gartenstadt-Projektes.
- Aufnahme eines Jugendobjektes in die Gartenstadt-Planung, um mit diesem Aktivitäten der Jugendlichen zu binden.
- Es ist im Vorfeld abzuklären, wer Nutznießer von Eingriffen in den vorhandenen Gebäudebestand ist und wie weit betroffene Mieter anfallende Kosten mit zu tragen haben  bzw. erstattet bekommen.

Fazit
Wie sich zeigt, kann das Bürgeraktiv dem Gartenstadt-Projekt nicht uneingeschränkt zustimmen. Es wird  darauf ankommen,  den ehrgeizigen  Wettbewerbsbeitrag auf eine  für die gegenwärtigen Bewohner zumutbare, gleichwohl für die beteiligten Unternehmen wirtschaftliche  Weise umzusetzen, also eine Veränderung des Neubaugebietes Drewitz „im Sinne des Gartenstadt-Projektes“, wie es am Ende des Szenario-Workshops 2009 hieß, vorzunehmen. An der Prüfung auf Sinnfälligkeit werden wir uns weiter beteiligen.


Bürgeraktiv Drewitz/Neubaugebiet
Potsdam, im Mai 2010

PS: Offener Brief